„Gemütliche“ Sonntagsspaziergänge


„SONNTAGSSPAZIERGÄNGE…“
WIE SIE DAS GANZE SIEHT: Wie habe ich diese Sonntagsspaziergänge als Jugendliche nur gehasst! Nicht nur, dass es am Vormittag schon hieß: „Auf auf zur Sonntagsmesse!“ Nein am Nachmittag wusste man schon so sicher wie das „Amen“ nach dem „Vater Unser“, am Nachmittag kam das: „So und heute machen wir einen schönen Sonntags-Spaziergang!“

Wir, das war dann der alte Volksschuldirektor mit seiner Frau, beide so langweilig wie, aus damailger Sicht „alt“, ohne ihre 5 Kinder (Wie die 5 Kinder es hinbekamen, Sonntag für Sonntag nicht dabei sein zu müssen, ist mir heute noch ein Rätsel?), meine Eltern, damals aus der Sicht der Jugend, nicht minder „alt“ und meine drei Geschwister, die mich zuhause schon langweilten. Und dann stapfte man jeden Sonntag die selbe Runde ab. Alles in allem laaaangweilig zum Quadrat hoch 7. Für die jüngeren Semster sei hier noch erwähnt, alles natürlich ohne Handys, Skype und Facebook!

Umso erstaunlicher fühlt es sich jetzt mit über 50 an, dass ich mich inzwischen Sonntag für Sonntag folgende Worte laut aussprechen höre: „Komm lasst uns einen Sonntags-Spaziergang machen!“

Dass mein Jungvolk dagegen rebelliert. Ok. Das ist mir aus besagten Gründen natürlich verständlich. Dennoch versuche ich es Sonntag für Sonntag wieder. Manchmal ködere ich sie sogar damit, dass ich Ihnen anbiete, dass sie sich sofort nach Ankunft auf der Baumgartner Höhe auf eine Bank setzen dürfen, um von dort aus zu What´s-App“en“ oder sich per Selfie beim Bank-Sitzen auf Facebook „liken zu lassen“. Einfach darum, damit ihre Gesichter wenigstens einmal in der Woche live spüren, wie sich die Natur, die sie auf Facebook liken, in natura auf der Gesichtshaut anfühlt.

Umso erstaunlicher wurde für mich dann aber letztens die Tatsache, dass mein geliebter Josef schon genauso aufschrie, wenn ich sonntags nur das Wort Baum… in den Mund nahm: „Nein! Ich gehe nicht auf die Baumgartner Höhe! Sicher nicht!“
Was war passiert?

Naja, als mein liebster Josef noch frisch verliebt war, tat er für mich offensichtlich alles. Sogar auch „so- tun-als-ob“. Als ob er von einem Spaziergang begeistert wäre. Und nicht nur das. Nein er war auch noch lächelnd neben mir drei Runden um die Steinhofgründe gewandert. Und als ich dann zum Abschluss des Spaziergangs zu einem Baum schritt, und diesen gezählte 5 Minuten rundherum umarmte, und dabei zig Menschen an uns vorbei schritten und ihre Köpfe über mich schüttelten, fragte er mich nachher einfühlsam: „Und geht’s dir jetzt besser?“ – Was ich damals mit einem vom Baum gefüllten seeligen Lächeln bejahte.

Als ich dann aber am darauf folgenden Sonntag wieder diese Frage aus meinem Mund heraus sprudeln hörte, konnte ich den Satz gar nicht mehr zu Ende…

„Nein Hilde! Nein!“ – „Aber warum, es scheint doch die Son…“ – „Nein! Hilde, ich denke mir doch schon ein Leben lang in meinem Heimatort, über alle Menschen, die am Sonntag an meinen Weinbergen vorbeispazieren, während ich im Weingarten arbeite: „Wie bescheuert muss man sein, dass man in seiner Freizeit freiwillig einen Fuß vor den anderen setzt und dabei noch lächelt, anstatt man die Zeit nützt und in die Sauna geht?!“ – „Aber es scheint ja die Sonne… da geh ich doch nicht in die Sau…“ –„Hilde kannst du dir vorstellen, dass wir am Sonntag ein bisschen ins Theater gehen und auf der Bühne so aus Jux und Freizeit ein Kabarett spielen?“ – „Nein…?!“ – „Siehst du! Und genau darum hasse ich Spaziergänge in der Natur! Und dass ich dann noch in einer Stadt in die Natur gehen soll, wo 7000 andere Menschen zufällig auf dieselbe Idee gekommen sind, und im Gänsemarsch hintereinander im Kreis herumrennen, während du deine Bäume umarmst, das ist mir zu viel!“

DIE MORAL VON DER GESCHICHT: Bitte einen Bauern in die Natur niemals nicht! Mach wenigstens Stadtspaziergänge auf Beton-Untergrund mit ihm, damit er sich dabei mit den Auslagen unterhalten kann!

 

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WIE ER DAS GANZE SIEHT:

Ja das mit der frischen Luft mit der in der Stadt lebenden Künstlerin aus dem Ländle ist ein eigenes Kapitel. Da muss ich natürlich vorausschicken, dass ich als Bauer sicher keinen Mangel habe, mich sogar oft gewundert habe, wenn mir Spaziergänger bei meiner Arbeit begegnet sind. Gewundert darüber, dass die fast bei jedem Wetter unterwegs sind. Und besonders dann, wenn die Trauben und die Nüsse reif sind, in den Weinbergen ihre Frischluft suchen. Darüber hinaus gab es auch des Öfteren Ärgernisse, wenn meine Hunde diese Frischluftfanatiker begrüßten und beschnupperten.

So ist für mich seit meiner Jugend klar, so möchte ich nicht enden! Und ich gehe echt nur spazieren, wenn es ein familiäres oder freundschaftliches Ereignis ist, aber auf keinen Fall, um meinen Sauerstoffbedarf zu decken, und auch nicht, um mich zu bewegen, das bringt mein Job auch mit sich.

So war es dann auch mit meiner neuen Liebe, der tollen, aufregenden Künstlerin Hilde, die, als ich sie näher kennenlernte, mit einem Bänderriss gerade unter ihrer eingeschränkten Bewegungsfreiheit litt und mir ständig erklärte, hätte sie diese Verletzung nicht, würde sie täglich im Grünen laufen gehen. Natürlich bot ich mich da sehr gerne an, ihr bei den „ersten Gehversuchen“ auf ihrer heiß geliebten Grünoase beizustehen.

Diese Grünoase war die nahe gelegene Baumgartner Höhe, die jedoch nicht nur ihr zum Luftschnappen in den Sinn kam, sondern jedes Mal wenn wir dort waren, hunderte, wenn nicht tausende Menschen auf die gleiche Idee gekommen waren. Das störte meine liebe Hilde nicht im Geringsten, sie fühlte sich dort wie in einer anderen Welt und wie alleine. Die dicksten Bäume wurden umarmt, angeblich der Energie wegen, und hinter den kleinsten Büschen wurden von ihr die zuvor zugeführten Wassermassen abgegeben. Das erledige ich normalerweise alleine im Weingarten, und wenn schon irgendwo anders, dann versuche ich einen vom Weg nicht einzusehenden Ort zu finden. Meiner lieben Hilde waren diese Parameter alle fremd.

Also achtete dann immer ich darauf, dass niemand kam. Und wenn jemand kam, schaute ich, dass ich mich gegebenenfalls breit davorstellen konnte. Also für mich bedeutete Entspannung wirklich etwas anders. Und woher die angebliche Energie durch die Umarmung der Bäume kommen sollte, wollte ich auch niemandem beantworten müssen, weiß ich doch selber nicht, wo ein Baum im Winter, der gerade nicht im Saft ist, diese abzugebenden Energien hernehmen sollte. Ja was soll`s, den Anspruch als Bauer eine Künstlerin in ihrem Tun und Handeln komplett zu verstehen, hatte ich sowieso bald aufgegeben.

Irgendwann war dann der Zeitpunkt, wo meine liebe Hilde wieder völlig fit war und trotz ihrer fast täglichen Laufrunden auch noch den sonntäglichen Spaziergang auf der Baumgartner Höhe einforderte. Das ging mir dann doch zu weit. Ich fahre vom ruhigen Land in die pulsierende Stadt, um dann dort unter Menschenmassen im Kreis zu marschieren?! Das ist wahrlich meine Idealvorstellung einer Sonntagsgestaltung, sicher nicht!!! Da liege ich lieber bei mir faul am Balkon, als mit dem Auto zum „Wandern“ zu fahren.

Oder was ich schon öfter vorgeschlagen hatte, war, dass wir doch von der Haustüre aus, kreuz und quer durch die Stadt gehen könnten! Erstens um den Bezirk besser kennenzulernen, die Lokale in der Umgebung auszuforschen und vielleicht auch ein wenig Auslagen schauen zu können.

Der Spaziergang in der „Betonwüste“ ist jedoch bis heute für die Vorarlbergerin ein „No go“! Weil am Sonntag die Geschäfte geschlossen sind? Oder weil ihr dort sonntags die Menschenmassen fehlten? Ich weiß es nicht. Daran forsche ich immer noch.

DIE MORAL VON DER GESCHICHT: unterschätze den Frischluftbedarf einer Künstlerin nie nicht! Und versuche ihr beizubringen, dass sie diesen im Alleingang deckt. Oder entführe sie aufs Land, um wirklich gemein sam die Natur zu erleben!

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