Familienglück im Weihnachtsstau


„HEILIGES FAMILIENGLÜCK IM WEIHNACHTS-STAU…“

SO HAT SIE ES ERLEBT :
Nach Vorarlberg wollten wir fahren. Zu Weihnachten. Zur Familie, also halt zu meiner Familie. Eigentlich nichts Außergewöhnliches, denn wie oft hatte ich das schon gemacht? Die Kinder im Zug platziert, Farbstifte und Zeichenpapier dazu, Hör-CD`s, viel Jause und Säfte, soviel wir wollten. Weil im Zug die Anzahl der Klogänge keine Rolle spielte. Warum ich das erwähne? Weil dieses Jahr zu Weihnachten alles anders werden sollte. Denn wir fuhren zum ersten Mal mit dem Auto nach Vorarlberg. Ich hatte nämlich mit meinen knapp über 50 doch noch meine „jetzt aber wirklich endlich große Liebe“ kennen gelernt. Ein Bauer. Um genauer zu sein, ein Weinbauer! Darauf bestand er nämlich: „Er sei kein gewöhnlicher Winzer, der sich moderner machen wolle, als er sei, nein er sei ein Bauer! Und dazu stehe er! Sepp würden alle zu ihm sagen, im Dorf, auf der Gemeinde und auch in Wien, bei seinen Kunden, die er wöchentlich höchstpersönlich beliefere. Da sei er der Sepp. Aber jetzt habe er auch mal Lust auf etwas Neues! Ich solle ihn doch Josef nennen!“

Ja und so fuhren wir zum ersten Mal mit dem Auto nach Feldkirch zu meiner Familie. Und alle dabei ziemlich aufgeregt: ich darüber, was meine Familie zu meinem Josef sagen würde? Meine Kinder aufgeregt ob der Sorge, ob die Großeltern denn auch wirklich über genügend schnelles W-Lan verfügen würden, und mein Josef offensichtlich immer aufgeregter, weil ich ihn in immer kürzer werdenden Abständen anhielt, endlich langsamer und mit mehr Abstand zum Vordermann zu fahren. Um dem dann die Krone aufzusetzen:

„Josef, ich muss aufs Klo!“ – „Ja…“

Und dann passierte eine halbe Stunde lang nichts. „Jooosef! Jetzt bleib doch endlich stehen!“ – „Und wie soll ich das machen? Wir stecken im Stau wie du siehst!“ Ja das sah ich. Nur sah ich auch, dass es sowohl einen Pannenstreifen als auch Wiesen daneben gab, wo mein geliebter Josef in der Sekunde stehen bleiben hätte können! 

„Verdammt nochmal! Man muss sich doch seine Klogänge einteilen können! Ich kann doch bei einer Liefertour auch nicht alle halbe Stunde einen Stopp machen! Dann bin ich ja jedes Mal tagelang unterwegs!“ – „Wie, Klogänge einteilen? Wenn ich aufs Klo muss, muss ich aufs Klo! Bleib jetzt endlich hier auf dem Pannenstreifen stehen!“ –„Nein das mache ich sicher nicht!“

Da wir aber im Stau steckten, und der Stau noch lange kein Ende zu nehmen schien, begann ich irgendwann laut zu wimmern…. Was die Jugend zur Hochblüte des Mitgefühls anregte: „Mama, bei dem Gejammere hören wir ja in unseren Kopfhörern nichts mehr!“ Und meinen geliebten Josef dazu anstachelte, noch eins draufzusetzen:

„Siehst du, du nervst nicht nur mich!“

Ja mehr hatte ich nicht mehr gebraucht, um auf der Stelle zu wissen, dieser Josef, dieser Mann da vorne hinterm Lenkrad, der konnte nicht meine „neue große Liebe“ sein! Denn das hatte mit allem zu tun, nur nicht mit Liebe! Und so endete diese Fahrt damit, dass ich die nächsten Stunden, denn die Strecke von München bis Feldkirch zog sich wie Kaugummi, kein Wort mehr redete. Und das Schlimmste ob dieser Tatsache war: Josef schien sogar erleichtert darüber zu sein, dass ich mich zu nichts mehr äußerte. Und so  kam ich in diesen vielen Stunden der Stille zum unabwendbaren Schlussfazit: „Ich würde doch nicht mein kostbares Single-Leben für einen Klogänge einteilenden Mann sprich Josef aufgeben…!“

So teilte ich meinen Eltern, als wir in Feldkirch aus dem Auto stiegen, gleich mit, dass wir nur zu dritt bei ihnen nächtigen würden, weil sich Josef eine „andere Bleibe suchen wolle…“ – „Oh mein Gott, Hilde!“ durchschaute mich meine Mutter auf der Stelle, „Wenn ich mich jedes Mal aufgrund des Stauverhaltens deines Vaters getrennt hätte, wäre ich eine Alleinerzieherin von einem Kind geblieben. Denn dann hättest du keines deiner drei anderen Geschwister! Stau bringt das Schlimmste der Menschheit zutage…! Sprich nur wegen einem Stau wird sich hier nicht getrennt!“ Und dann hackte Sie sich bei meinem Josef unter und zog ihn ins Haus hinein.

DIE MORAL VON DER GESCHICHT: Mein Bauer weiß inzwischen: „Die Blase einer Künstlerin ist zu kontrollieren nicht! Diese ist sensibel, schnell voll, und dann sofortigst wieder zu entleeren!“ Danke dem lieben Bauern!

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SO HAT ER ES ERLEBT :
Der Plan, ein Weihnachtsausflug nach Vorarlberg, der Heimat meiner neuen, großen Liebe, der wunderhübschen und faszinierenden Hilde, die ich dankenswerter Weise durch einen großen Zufall in einer damals sehr schwierigen Lebensphase kennen- und lieben lernen durfte. Mit dabei ihre beiden Kinder und viele Koffer und Taschen, so als ob wir auswandern würden.

Ein Markenzeichen von Hilde war und ist der Wasserbedarf. Sie geht keinen Schritt vor die Haustüre, ohne nicht mindestens eineinhalb Liter Wasser dabei zu haben. Dem entsprechend ist es auch klar, dass man mit ihr sehr häufig Wartezeiten in Kauf nehmen muss, damit sie die Wassermassen auch wieder abgeben kann. Sich mit dieser Kenntnis auf den Weg von Wien nach Vorarlberg zu machen, bedeutete natürlich auch entsprechende Vorabkommen zu treffen. So bat ich beim Losfahren, erstens vielleicht nicht sofort die Flasche zu leeren und zweitens früh genug um einen Stopp zu bitten, da die Tankstellen mit dem entsprechenden Angebot nur ca. alle 40 km anzutreffen sind. Die normalen Parkplätze sind ja zu unhygienisch und bis dahin ein immer abgelehntes NoGo.

Auf der Fahrt versuchte ich dann allen Vorgaben gerecht zu werden, legte ein für mich völlig neues Tempo ein und versuchte, auch die Abstände zu den vor uns Fahrenden so groß wie nie zuvor zu halten. Trotz dieser meiner Disziplin kamen ständig Verbesserungsvorschläge, dass es noch langsamer ginge, und dass vielleicht doch noch mehr Abstand möglich wäre. Das größte Vergehen war dann, an einem Auto rechts vorbeizufahren und das wohlbemerkt im Stau und in keinem Höllentempo.

So ständig auf größter Vorsicht gehalten, war meine erste große positive Überraschung: der erste Stopp musste erst in Linz sein. Soweit am Stück hatten wir es noch nie geschafft, und das obwohl wir während des Jahres immerhin bis Rom und in die Toskana mit dem Auto kamen. In Linz wurden dann natürlich die Trinkvorräte kräftig aufmagaziniert, denn der Durst muss ja Das-Wirklich-Allerschlimmste sein, was einen auf Erden passieren kann. Im Winter wohlgemerkt. Und obwohl zuhause auch immer gesunde Ernährung gepredigt wurde, in dem Moment war alles vergessen, und Unmengen Cola Light und Süßigkeiten wurden eingekauft, um die nächste Etappe überstehen zu können. Ich komme normalerweise bei einer Liefertour von Wien bis Vorarlberg und wieder retour mit einer Flasche Wasser aus, und kaufe mir dann höchsten des Nächtens ein kleines Cola, um wach zu bleiben.

Aber gut, ich hatte ja versprochen, auf alle Wünsche einzugehen, damit wir gut gelaunt im Ländle ankamen. Da ich ja dort immerhin der gesamten Familie vorgestellt werden sollte, und dazu natürlich ein harmonisches Erscheinen von Vorteil gewesen wäre. Nächster Stopp Salzburg und dann passierte, was passieren musste: kurz nach der Grenze begann ein Stau. Dieser zog sich fast bis München und kostete uns viele Stunden Zeit. Und was war wie aufgelegt: nach der ersten Raststätte wurde um eine Toilette gefragt!

Im Wissen, es musste eine saubere, gepflegte Autobahntoilette sein, und dem Nichtsahnen wohin die jeweiligen Ausfahrten führten, versuchte ich nach allen Regeln der Kunst, den Harndrang meiner liebsten Hilde und mittlerweile auch den ihres Sohnes, durch gutes Zureden zu überlisten. Das funktionierte jedoch bei den zu ihnen genommenen Flüssigkeitsmengen ab einem gewissen Zeitpunkt überhaupt nicht mehr. Dementsprechend stieg die Spannung im Wagen mit jedem weiteren Meter. Das ging dann solange, bis der Lärmpegel der Bedürftigen nicht mehr zu ertragen war! Gut, Reißleine und nächste Abfahrt raus, ohne zu wissen, ob es hier auch wieder eine Auffahrt gab. In der Kurve nach der Abfahrt sofortiger Stopp und Hilde verschwand im Wald. Damit war aber das Problem nicht gelöst, denn ihr Sohnemann musste zwar dringend, aber hier ging es auf keinen Fall!

Also sofort wieder rein in den Wagen, zum Glück gab es auch unmittelbar sofort wieder eine Auffahrt und weiter Richtung nächster Raststätte. Ich wusste zum Glück, die ist nicht mehr weit, jedoch bei dem Tempo hatte ich keine Ahnung, wie lange es noch dauern würde. Eine mittlerweile schweigende Liebe und ein vor Schmerz wimmernder Sohn, sowie eine über den Dingen stehende Tochter, das war die schwerste Fuhr meines Lebens. Irgendwie doch geschafft, kamen wir dann dort an, und dann passierte der nächste und schlimmste Fauxpas meinerseits. Ich hatte mittlerweile innerlich so gekocht, dass ich nicht sofort die 70 Cent für den Klogang bereitgestellt hatte, sondern zum Sohn sagte, „Er solle doch hinter die Hütte auf der Raststätte pinkeln, wenn er das Geld nicht selber habe!“ Ja das war ein schwerer Fehler gewesen, denn hätten Blicke töten können, wäre ich auf der Stelle leblos umgefallen.

DIE MORAL VON DER GESCHICHT: Unterschätze den Harndrang einer Künstlerin nie nicht! Und den ihres Sohnes noch viel weniger! Zu meiner großen Überraschung ging dann mein Plan für die gefürchtete Heimfahrt voll auf: Rückfahrt in der Nacht. Denn irgendwie schien die Blase einer Künstlerin auch in der Nacht zu schlafen. Was für ein Glück!

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