DES PRINZEN-SPRACHE (DER BAUER) VERSUS SCHIMPFWORT-TIRADEN (DIE KÜNSTLERIN)…
SO HAT SIE ES ERLEBT:
Mein Name ist Hilde. Ich bin …, nein keine Sorge, nicht Alkoholikerin, aber laut meines wundervollen Bauern Josef eine ausgesprochene Sprachproletin der tiefsten Sorte! „Denn ich würfe mit Ausdrücken um mich, die er nicht einmal seinem schlimmsten Feind sagen würde!“
Aber alles von Anfang an: „Ich sei so eine Urasserin!“ hörte ich, mir „dünkt“ schon ab Woche drei. Da ich aber gar nicht verstand, was urassen hieß, dauerte es ein paar weitere Wochen, bis ich darauf reagierte. Denn ehrlich gesagt, sagte er dies immer mit einem Lächeln auf den Lippen und einem Lachen im Tonfall, so dass ich dachte, er sage etwas Liebevolles zu mir. Als dieses „urassen“ aber immer öfter kam, im Zusammenhang mit Strom, mit Duschen im Bad, mit Brot und dann irgendwann sogar mit jeglichen Lebensmitteln, erschien es mir mehr als notwendig, endlich zu verstehen, was er denn da überhaupt sagte: „verschwenden“ schrieb der Duden dazu. „Aha?“… Ich war also in Josefs Augen eine Verschwenderin!
Nicht nur dass er mich eine Verschwenderin schimpfte, nein er drückte es dann auch noch so „geschwollen“ (Vorarlbergische Ausdrucksweise für „überkandidelt“) aus: urassen! Also blieb bei mir schlussendlich nicht die Tatsache in meinem Bewusstsein, dass ich eine Verschwenderin sei, nein bei mir blieb die Erkenntnis hängen, dass mein lieber Bauer „eine besondere Art der Ausdrucksweise in sprachlicher Hinsicht zu pflegen bevorzugte“.
Und dann hatten wir den ersten richtigen Streit. Also so richtig wirklich heftig und deftig, und ich brachte „Depp“, „Vollidiot“ und dann sogar zu fortgeschrittener Stunde auch noch das Unwort „Arschloch“ ins Spiel. Worauf mein lieber Josef an Ort und Stelle beschloss, mich eine Woche lang weder hören, noch sehen, geschweige denn berühren zu wollen und aus diesem Grund eben solange auf Nimmerwiedersehen und mit lautem Türknallen verschwand!
Und ich blieb übrig, mit dem Nichtwissen, was denn nun so Schlimmes vorgefallen war? „Eben! Ich hätte ihn schlimmer geschimpft als er je seine Feinde beschimpfen würde!“ meinte mein Josef dann beim ersten Gespräch nach dieser Woche. „Aber das hat mein Vater sogar zu meinen Freunden gesagt. `Jetzt sind die Arschlöcher schon wieder da!´ (Ja ich weiß, das ist nicht die feinste Art, aber es hatten alle immer wieder gelacht. Und mein Vater wurde sogar eine Art Kult in meinem und meines Bruders Freundeskreis… „Wie er wohl heute wieder reagieren würde…“!)
Nicht jetzt, dass ich bei meinem Josef Kult werden wollte, aber als wir da so redeten über unsere jeweiligen familiären Sprachgewohnheiten, wurde uns klar, dass wir aus völlig unterschiedlichen Sprachverhältnissen kamen: Meinem Josef wurde als „Bauernfamilie“ wenigstens im Sprachgebrauch Status eingehämmert, und ich kam aus einer Vorarlberger Unternehmerfamilie, die sowieso Status hatte, und aus einem unergründlichen Rebellentum meines Vaters heraus, eine Umgangssprache pflegte, die offensichtlich seinesgleichen suchte…
Noch dazu kommt die Tatsache, dass das Vorarlbergerische per se ungemein „grob“ in seinen Ausdrücken ist. So kann es einem tagtäglich passieren, dass dich eine gute Freundin begrüßt mit den Worten: „So und wia hasch as blöde Kua?“, was so etwas wie „Wie geht’s dir blöde Kuh?“ heißt. Und das ist dann keine Beschimpfung, nein das ist dann als Liebkosung gemeint. (…Ich weiß, sehr eigen!)
In diesem Sinne wird vielleicht verständlicher, warum ich am Boden gelegen bin, als mein lieber Josef am letzten Wochenende meinte: „Nein Hilde, ich verspüre heute kein Begehren nach deinem wundervollen Leib…!“
DIE MORAL VON DER GESCHICHT: tu den lieben sanften Bauern mit meinem groben Sprachgebrauch niemals demütigen nicht! Und auch ein Bauer darf sich wohlfeil ausdrücken auch, wenn er grad wüst verdreckt und schweißtriefend vom Traktor steigt! Ich liebe dich mein Bauern-Prinz!
SO HAT ER ES ERLEBT:
Meine liebe Hilde kommt aus Vorarlberg, ein mir durch Kunden sehr wohl bekanntes Bundesland, dass hier jedoch eine andere Sprache gesprochen wird, war mir neu. Das musste ich jedoch täglich erleben und auch immer den Onlineduden parat haben, denn mein liebster Schatz unterstellte mir dann immer, ich spräche einen nicht existierenden Slang.
So geschehen zum Beispiel beim „Urassen“. Von Anfang an fiel mir auf, dass im Haushalt meiner Lieben echt nicht auf Sparsamkeit und Ressourcenschonung geachtet wurde, und ich hatte das immer als Urassen bezeichnet. Dies fand offensichtlich deshalb kein Gehör, da sie dieses Wort nicht kannte und mich so auch nicht verstand. So wertete sie mich wegen meines unverständlichen Slangs ab, ohne zu hinterfragen, was ich sagen wollte. Bis ich dann mal hartnäckig blieb, und ihr das übersetzt hatte.
Da kam dann noch die Diskussion, dass es das Wort Urassen nur in Niederösterreich gibt, und sicher in keinem Duden zu finden wäre. Doch die kurze Onlinerecherche ließ sie verstummen und ihre Rechthaberei beenden. Und so passierte es uns immer wieder, dass Wörter meines Gebrauchs nicht in ihrem Sprachschatz enthalten waren. Dieser bei deftigen Ausdrücken jedoch ungleich reichhaltiger war als meiner. Mit dem Unterschied, ich verstand ihre Gewaltausdrücke sehr wohl, nur kannte ich diese bis zu unserem Kennenlernen nur vom Hörensagen, denn nie zuvor hat derartiges jemand zu mir gesagt, und schon gar nicht ich zu irgendwem.
Da ist der Idiot eine Liebkosung, der Depp im täglichen Sprachgebrauch, ja und sogar das Arschloch findet regelmäßige Anwendung. Im ersten deftigen Streit wurde dieses, dann in der für mich noch schlimmeren Form „Oaschloch“ angewandt und einiges mehr. Also das war dann echt verletzend, genauso wie die Tatsache, dass sie sich dabei keiner Schuld bewusst war, verwendet man doch angeblich all diese netten Ausdrücke im äußersten Westen unseres Landes regelmäßig, und seien diese doch nicht so schlimm.
Nach dieser verbalen Entgleisung war ich jedoch echt sehr verletzt, schließlich hat nie zuvor je irgendwer derartige Ausdrücke gegen mich als Waffe eingesetzt, noch hatte ich je davon Gebrauch gemacht. Da begann ich die ganze Beziehung zu hinterfragen, so tief saß der Schmerz. Noch dazu wo mir immer vorgetragen wurde, ich sollte doch die gewaltfreie Kommunikation lernen, denn da hätte ich Nachholbedarf, tolle Projektion.
Offensichtlich war es meiner lieben Hilde gar nicht bewusst, wie sie mit der Sprache und vor allem den groben, deftigen Ausdrücken hantierte. Und siehe da, es kam die Zeit, in der ich mich so verständlich machen konnte, dass ankam, dass Idiot, Depp usw für mich keine Liebkosungen sind. Fühlte mich keinesfalls hingezogen, geliebt und schon gar nicht begehrt, wenn ich mit derartigen Ausdrücken konfrontiert wurde.
Da war mir auch egal woher sie kam, und ob in ihrer Heimat derartige Umgangsformen normal sind oder nicht, für mich waren das immer wieder Verletzungen, die im Widerspruch zur gewünschten Nähe standen. Doch egal wie unterschiedlich unsere Sprache auch sein mochte, letztendlich haben wir es doch geschafft, ein Gespräch zu finden, in dem wir uns beide verstanden und klar machen konnten, dass Schimpfwörter nie als lieb ankommen werden, und ich kein liebes Arschloch sein mag. Im Gegenzug dazu versuche ich keine niederösterreichischen Fremdwörter mehr zu gebrauchen, und siehe da, es funktioniert!
DIE MORAL VON DER GESCHICHT: unterschätze die Wortgewalt einer sensiblen Künstlerin nie, die denkt zum Teil das ganze Leben ist ein Kabarett. Danke liebe Hilde, dass Du hier auf mich eingehst. Ich liebe Dich!